„Save bees AND farmers“ – Die Zukunft unserer Landwirtschaft gestalten

Mit einer letzten, sonnigen und warmen Woche ging der Oktober zu Ende. Unserer Bienen haben diese letzten Flugtage genutzt, um die Pollenvorräte noch einmal aufzustocken und werden sich nun bis zu den ersten warmen Tagen im Februar nicht mehr zeigen, sondern die kalte Jahreszeit eng aneinander gedrängt in den warmen Bienenstöcken ausharren. In dieser Zeit finden die Imker endlich Zeit sich auf Imkertagungen auszutauschen und zu vernetzen, die Saison zu reflektieren und sich schließlich auch mit den akuten Problemen unserer Kulturlandschaft auseinanderzusetzen und sich politisch zu engagieren.

Großdemonstrationen am 22.10.2019

In diesem Kontext fanden im Oktober mehrere Großdemonstrationen deutscher Landwirte in ganz Deutschland statt, die am 22.10.2019 ihren Höhepunkt fanden. Die Bauern kritisieren die neuen Auflagen für Umwelt- und Tierschutz als zu streng und daher existenzgefährdend. Gerade in Bayern, wo das Volksbegehren „Rettet die Biene“ für mehr Artenvielfalt nun umgesetzt werden soll, laufen viele Landwirte Sturm gegen die neuen Auflagen. Das propagierte „Naturschutz nur mit und nicht gegen Landwirte!“ verkennt dabei jedoch die schlichte Tatsache, dass viele konventionell arbeitende Betriebe momentan eher Teil des Problems als der Lösung sind. Der Verweis auf hauptsächlich ökonomische Faktoren zeugt von einer unglaublichen Ignoranz der Tatsache, dass durch unser momentanes naturzerstörendes Wirtschaften schon heute jedes Jahr dreistellige Milliardenschäden entstehen, die von der Gesellschaft getragen werden müssen – laut Umweltbundesamt[1] waren es 2016 schon 164.000.000.000 €. Das geforderte „Weiter so!“ verkennt einfach die Dringlichkeit der Tatsache „Artensterben“ an dessen Ende auch der Mensch steht und hängt der scheinheiligen Illusion einer Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie nach. Denn ohne tiefgreifende Ernährungs- und Agrarwende lässt sich der selbstzerstörerische Trend, auf dem wir uns befinden nicht umkehren. Ohne tiefgreifende Veränderung unserer landwirtschaftlichen Produktion wird der Kollaps unseres Ökosystems nicht aufzuhalten sein, Steuern und Verbote dürfen kein Tabu sein, müssen aber sinnvoll eingesetzt werden.

Diese Position nahmen auch die rund 1000 Teilnehmer der Demonstration vor dem Europaparlament in Straßburg ein, die am gleichen Tag – von den Medien jedoch weitgehend unbeachtet – stattfand. Unter dem Motto „Unser Land brennt! Höchste Zeit, der Agrarindustrie die Stirn zu bieten!“ forderten die Demonstranten die Europapolitiker auf, Zerstörung unserer Lebensgrundlage zu stoppen und mit der anstehenden Neuausrichtung der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik) die Weichen für eine bäuerliche und ökologische Landwirtschaft zu stellen. So kritisierten sie unter Anderem, dass Verbraucher nach wie vor beim Kauf von ökologischen Lebensmitteln finanziell „bestraft“ würden. Billige, „konventionell“ hergestellte Lebensmittel seien keinesfalls günstiger als saisonal, regional und umweltverträgliche produzierte Nahrungsmittel, bei ersterem seien einfach nur nicht alle Kosten eingepreist. Die gesamtgesellschaftlichen Kosten von Umweltschäden durch Agrarwüsten und Tierfabriken werden dabei von der Allgemeinheit getragen, während bei ökologischen Lebensmitteln die Kosten für Bio-Labeling und die natürliche Herstellungsweise auf den Einzelnen übertragen werden.[2]

„Save bees and farmers – Bienen und Bauern retten!“

Das paradoxe daran: Alle Demonstrationen, gleich welcher „Lager“, hatten dabei als Gemeinsamkeit die Forderung das „Höfesterben“ zu stoppen und beklagten sich über ein komplettes Politikversagen, was angesichts der „homöopathischen“ Maßnahmen, mit denen das GroKo-Klimapaketchens den monumentalen Herausforderungen unserer Zeit begeben möchte, nicht verwunderlich ist. Ebenfalls spannend in diesem Kontext: Erste Landwirte beginnen nun die Bundesregierung zu verklagen, die Klimaziele bis 2020 doch noch einzuhalten, weil nur so ein langfristiges und nachhaltiges Fortbestehen der Höfe sichergestellt werden kann.

Hoffnung macht hierbei auch, dass sich in ganz Europa nun ein bereites zivilgesellschaftliches Bündnis formiert, das Bewegungen wie die „Pestizidrebellen“ in Südtirol, die „Mohnblumen-Bewegung“ in Frankreich oder das erfolgreiche bayrische Volksbegehren „Rettet die Bienen“ vereint. Diese gipfelte nun in einer Europäischen Bürgerinitiative (EBI) namens Save bees and farmers[3], die den Einsatz gefährlicher Pestizide ein für alle Mal beenden und die europäischen Bäuerinnen und Bauern bei der Umstellung zu einer gesünderen und umweltfreundlicheren Produktionsweise unterstützen möchte. Denn neben vieler Insektenarten sterben auch Millionen kleinbäuerliche Betriebe aus, seit 2005 ganze 4 Millionen in Europa. Die Forderungen: 1. Komplettverbot chemisch-synthetischer Pestizide bis 2035, 2. Wiederherstellung natürlicher Ökosysteme in landwirtschaftlich genutzten Gebieten und 3. die Unterstützung von Landwirtschaftsbetrieben bei der Umstellung auf eine kleinteilige, vielfältige und nachhaltige Landwirtschaft. Für diese Initiative werden ab Mitte November Unterschriften gesammelt, sodass die Landwirtschaft – statt die Ökosysteme zu zerstören – zum Ausgangspunkt einer Erholung der Biodiversität werden kann.

Die Liste der zahlreichen Bündnismitglieder ist lang, neben vielen Imkervereinigungen finden sich auch namhafte Institute und Stiftungen wieder, die an der Dringlichkeit der Forderungen keinen Zweifel lassen. Beispielsweise stellt Martin Dermine vom europäischen Pasticide Action Network klar: „Ein System aufrechtzuerhalten, das uns und unserer Umwelt stetig Schaden zufügt, macht keinen Sinn: Wir müssen endlich raus aus der Pestizidanwendung und den Planeten und unsere Gesundheit wieder ins Zentrum der EU-Agrarpolitik rücken.“ Karl Bär vom Umweltinstitut München wird noch deutlicher, wenn er sagt: „Die industrielle Landwirtschaft ist das Epizentrum des ökologischen Erdbebens, das uns erschüttert. Die Wissenschaft lässt keinen Zweifel daran, dass wir in der Landwirtschaftspolitik einen ganz grundlegenden Systemwandel benötigen, um Bienen und Bauern zu retten. Unsere Bürgerinitiative wird ein Weckruf an die Politik sein, endlich die Interessen der Bevölkerung über die der Agrarkonzerne zu stellen.“ [4]

[1] Umweltbundesamt: Gesellschaftliche Kosten von Umweltbelastungen, 17.01.2019 (https://www.umweltbundesamt.de/daten/umwelt-wirtschaft/gesellschaftliche-kosten-von-umweltbelastungen#textpart-1)

[2] Siehe z.B. Gaugler, Tobias; Michalke, Amelie: Was kosten uns Lebensmittel wirklich? Ansätze zur Internalisierung externer Effekte der Landwirtschaft am Beispiel Stickstoff, in: GAIA - Ecological Perspectives for Science and Society, Volume 26, Number 2, 2017, S. 156-157(2)

[3] www.savebeesandfarmers.eu

[4] Zitiert nach: iTmagazin: Bienen und Bauern retten: Bündnis startet EU-Bürgerinitiative für eine bessere Landwirtschaft, in: iTmagazin 3/2019, S. 4 f.

Michael Wirth