Pestizidkontrollen, Artenvielfalt & Ökolandbau

Volksbegehren Artenvielfalt: „Rettet die Bienen“

Mit fast 1,8 Million aktiv und persönlich abgegeben „Ja“-Stimmen konnten die bayrischen Bürgerinnen und Bürger mit dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ einen beispiellosen Durchbruch in Sachen Artenvielfalt und blühschönen Naturlandschaft erzielen. Der Gesetzesentwurf zur Änderung des Naturschutzgesetzes, der damit unmittelbar in den bayrischen Landtag eingebracht wird, macht Mut und hat Modellcharakter (Einsehbar unter https://volksbegehren-artenvielfalt.de/). Dem Beispiel Bayerns möchten nun auch die Menschen aus Brandenburg (https://artenvielfalt-brandenburg.de/) und Baden-Württemberg (https://volksbegehren-artenschutz.de/) folgen und mit einem jeweiligen Volksbegehren Verantwortung für unsere Lebensgrundlage übernehmen. Beide Initiativen sind ähnlich ambitioniert wie das bayrische Vorhaben und konzentrieren sich auf verbindliche Vorgaben und entsprechende Rahmenbedingungen, die vor der Politik vorzugeben und schließlich von der Landwirtschaft einzuhalten sind. Neben der drastischen Einschränkung des Pestizideinsatzes, werden mit verbindlichen Gewässerrandstreifen, der Eindämmung der ständigen Flächenversiegelung und der Reduktion von Lichtverschmutzung auch Themen angesprochen, die in der breiten gesellschaftlichen Debatte bisher noch wenig Beachtung finden, für einen umfassenden Artenschutz jedoch unerlässlich sind!

Öko-Landbau

Der Kernpunkt der Forderungen ist und bleibt jedoch zurecht die Art und Weise, wie wir unsere heimischen Böden bewirtschaften sollten: Nämlich idealerweise zu 100% im Öko-Landbau mit biomechanischen Schädlingsbekämpfungsmethoden ohne Monokulturen – mit der Natur, statt gegen sie. Dass der Deutsche Bauernverband hierbei nach wie vor sogar die höhere Gesamteffizienz (Stichwort: Biomasse-Volumen) des Ökolandbaus leugnet, mutet fast schon dogmatisch an. Trotz überzeugender Untersuchungen und Trends im Ökolandbau (siehe z.B. https://www.boelw.de/) und alarmierenden Ergebnissen des Weltagrarberichts (https://www.weltagrarbericht.de/) fließt der Großteil der milliardenschweren EU-Agrarsubventionen nach wie vor an intensiv-konventionell wirtschaftende Großindustriebetriebe. Während auf Lobbyismus setzende Interessensgruppen die Folgen des gegenwärtigen zerstörerischen Systems – von dem sie profitieren und mit dem sie horrende Gewinne machen – bestreiten und dementieren, entstehen in der Bevölkerung mehr und mehr Initiativen, die sich gegen diesen ökologischen Irrsinn wehren. In unserer Nähe findet zum Beispiel vom 20.-23. Juni das „Beats +Bohne“-Festival in Bad Vilbel bei Frankfurt am Main statt. Unter dem Motto „Wir haben Agrarindustrie satt!“ treffen sich jung und alt zu „vier Tage[n] voller Workshops, Aktiv-Werkstätten und Diskussionen gepaart mit agrarpolitischen Filmen, guten Bands, unterhaltsamem Theater und interessanten Ausstellungen. Die Bewegung kommt auf einem Bio-Bauernhof zusammen und verbindet Spaß mit Protest: Landwirtinnen und Umweltschützer, Köche und Food-Aktivistinnen diskutieren, tanzen und planen Aktionen. Bist du dabei?“ (https://www.wir-haben-es-satt.de/)

Überholte Pestizidkontrollen

Kern der rückwärtsgewandten und intensiven Agrarindustrie ist dabei zweifelsohne der überbordende Pestizideinsatz, bei dem einmal damit angefangen – ähnlich einer Suchtkrankheit – immer mehr und mehr Mittel, Varianten, Methoden und Spritzfahrten nötig werden, wenn das ökologische Gleichgewicht erst einmal geschädigt ist. Auch wenn man es nicht glauben mag, so wird die Gefährlichkeit von „Pflanzenschutzmitteln“ bzgl. der Gesundheit von bestäubenden Insekten nach wie vor mit veralteten Standards von 2009 bewertet! Obwohl schon 2013 von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine „Bienenleitlinie“ ausgearbeitet wurde, die als wissenschaftliche Referenz zur Bewertung der Auswirkungen von Pestiziden auf Bestäuber angesehen wird, haben die Regierungen der Mitgliedsländer diese EU-Leitlinie noch nicht offiziell angenommen. Ganz im Gegenteil konnten finanz-mächtigen Lobbygruppen die Politik nun sogar dahingehend beeinflussen, eine Aufweichung der EFSA-Leitlinie zu diskutieren, um sie unterm Strich zu einer wirkungslosen Symbolpolitik verkommen zu lassen, die das Bienensterben weder aufhält, geschweige denn verlangsamt. Hinter den Kulissen tobt ein erbitterter Kampf um Profite!

Leider verstecken sich die beiden federführenden deutschen Politikerinnen Landwirtschaftsministerinnen Klöckner und Umweltministerin Schulze hinter fadenscheinigen „Kompromiss-Verpflichtungen“ auf EU-Ebene und brechen somit die öffentlich vorgetragenen Versprechen zu einem konsequenten Bienenschutz, Stichwort: „Was der Biene schadet, muss vom Markt.“ Glücklicherweise ist es Imkermeister Thomas Radetzki in nur vier Wochen gelungen über 70.000 Menschen für seine Bundestagspetition „Pestizidkontrolle Jetzt!“ zu gewinnen (https://www.pestizidkontrolle.de/). Anstatt das ohnehin defizitäre Zulassungsverfahren für „Pflanzenschutzmittel“ weiter aufzuweichen, wird in einem überzeugenden Forderungskatalog die Prüfung unter Realbedingungen mit Einbeziehung von Wechselwirkungen und Konzentrations-anreicherungen gefordert. Und zwar – anders als bisher – durchgeführt von unabhängigen Laboren und wissenschaftlichen Fachgremien, sodass endlich (!) das gesetzlich vorgeschriebene Vorsorgeprinzip Anwendung finden kann. Am 16./17. Juli wird die Bundesregierung über den Vorschlag der EU-Kommission, die EFSA-Leitlinie aufzuweichen, abstimmen….

Einen tieferen aber übersichtlichen Einblick in die komplexe Thematik bietet folgendes Papier von Maria Heubuch: https://www.maria-heubuch.eu/fileadmin/heubuch/pdf2019/Gruene_FAQs_zur_EFSA-Bienenleitlinie_04_2019.pdf